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Mata Leao - Ein Würgegriff mit Geschichte

  

Hier im ersten Teil der kleinen Episode werde ich kurz etwas zur Geschichte erzählen.

Im zweiten Teil geht es dann um die technischen Details. 

 

Teil 1 - Geschichte und so...

Es war im Jahr 1999, als ich zum ersten Mal Luta Livre im Mutterland des brasilianischen Freikampfes trainierte und als ich zum ersten Mal von Roberto Leitao Senior etwas über die Geschichte des Luta Livre erfuhr.

Wir (4 Schüler von Danie D’ Dane) waren alle Sportstudenten und als die totalen Pioniergringos auf die Idee gekommen von Köln nach Rio de Janeiro zu reisen, um nach 4 Jahren des Trainings unter Daniel in Deutschland, auch in verschiedenen Akademien in Rio, Luta Livre zu trainieren. Wir nutzten die Chance natürlich um auch für diverse Diplomarbeiten zu recherchieren. Dazu stellten wir den lokalen Lehrern neben den zahlreichen technischen Fragen natürlich auch viele Fragen zur Geschichte unseres Sports. Einer der immer gerne über die Geschichte des Luta Livre referierte war eben jener Roberto Leitao, der als Professor für Maschienenbau an der Universität das Luta Livre mit technischen Prinzipien bereicherte und sich zudem auf Englisch gut mit uns unterhalten konnte. Unser Portugiesisch war leider etwas zu dürftig für die vielen Details die er mitzuteilen hatte.

Als ich fragte warum Mata Leao eigentlich sinngemäß „Löwentöter“ heißt, erklärte es mir. Dazu muss man allerdings wissen, dass laut Leitao das Luta Livre eine brasilianische Rekonstruktion des antiken griechischen Pankration ist. Somit eine eigentlich sehr alte Form des Zweikampfes, die Mitte des 19. Jahrhunderts (nach unserer Zeitrechnung also circa 20 bis 30 Jahre vor Andyconda) in Rio neu konstruiert wurde. Dazu wurden Elemente des damals populären Catch As Catch Can, was sich in erster Linie in Showkämpfen präsentierte, mit anderen effektiven Elementen aus dem Judo etc. vermischt um sich in den regellosen Kämpfen des Vale Tudo miteinander zu messen.

Die Terminologie des Luta Livre etablierte sich daher durchweg neuzeitlich und ich möchte sagen recht speziell und alles andere als systematisch.

Es etablierten sich oft Teamintern Namen für finale Techniken und Kontrollpositionen, ohne das eine Systematik erkennbar war. Das macht es den heutigen Sportlern der systematisierten, westlichen Welt etwas schwierig die Terminologie zu durchschauen, zumal es auch noch in der sportlichen Gesamtszene (MMA, Jiu-Jitsu, Catchwrestling, Luta Livre) verschiedene Begriffe für dieselbe Technik gibt. Hier setzen sich mittlerweile englische Bezeichnungen durch. In unserem Fall wird der Mata Leao häufig als Rear Naked Choke (RNC) bezeichnet.

Warum kam es also für die bedeutungsvollste, finale Technik des Luta Livre zu dem Namen Mata Leao?

Laut Leitao war es Johnny Weissmüller als Tarzan, der in einem seiner Schwarzweißfilme aus dem Jahr 1958 gegen eine Löwin kämpft und sie schließlich besiegt indem er sich auf ihren Rücken klammert und sie mit seinen starken Schwimmerarmen erwürgt. Dieses Filmepos war also der Auslöser die Würgetechnik des Luta Livre aus der Backmount als Mata Leao den Löwentöter zu bezeichnen.

Ich speicherte die Information über den Namen gleich als enorm wichtig ab, um für meinen nächsten Zoobesuch oder eventuell eine Safari gewappnet zu sein. Denn Leitao betonte bei dieser Erklärung die Wichtigkeit der eingehakten Beine in der Rückenkontrolle (Backmount) auf dem Löwen. Dieser würde Tarzan nämlich leicht mit den Hinterbeinen und deren Krallen loswerden können.

Teil 2 - Technische Details...

Die Würgetechnik die sich hinter dem Mata Leao verbirgt, gibt es schon lange in Ringkampfbetonten Sportarten, bei denen Griffe um den blanken Hals nicht etwa verboten sind. Im Japanischen spricht man vom Hadaka Jime, und in der Szene des Grappling und der Mixed Martial Arts (MMA) nennt man den Choke Rear Naked Choke, wie zuvor im ersten Teil meiner Ausführungen bereits beschrieben wurde.

Eine wichtige technische Voraussetzung um mit diesem Griff den Gegner erfolgreich zu besiegen ist die Kontrollposition des gegnerischen Körpers. Die sogenannte Backmount, bei der man sich auf dem Rücken des Gegners festklammert.

Der gegnerische Rücken befindet sich dabei unmittelbar vor dem eigenen Bauch, sodass zunächst der eigene Körper hinter dem Gegner in Sicherheit gebracht wird. In welcher Lage im Raum sich die Körper dabei befinden ist bei richtiger Ausführung eher sekundär. Man kann den Gegner sowohl oben auf seinem Rücken liegend als auch aus der Unterlage kontrollieren. Dabei sind die Beine entsprechend zu positionieren.

Hier geht es bereits los. Wie sollen die Beine optimal kontrollieren? Ich beschreibe hier im gesamten Verlauf die Art und Weise die Position und die finale Technik auszuführen, die für die allermeisten menschlichen Anatomien passt.

Die beste Backmount ist nach meiner Vorgabe folgendermaßen definiert:

Positioniere Deine Hüfte oberhalb von seiner Hüfte, als ob du dich Huckepack von deinem Gegner auf dem Rücken tragen lässt. Hake deine beiden Beine von hinten mit den Knöcheln mittig auf den gegnerischen Oberschenkeln ein. Die Knie drückst du dabei zusammen, während du die Hacken auseinander drückst.

Vermeide jegliche Art und Weise deine Beine oder Füße vor oder neben dem gegnerischen Körper zu kreuzen. Dies kann direkt zu schweren Verletzungen an deinen Beinen führen, wenn der Gegner um die entsprechenden Techniken weiß.

Mit Deinen Armen kontrollierst Du zunächst den Oberkörper so, dass Deine Arme wie ein Anschnallgurt seinen Oberkörper gegen Deinen eigenen fixieren. Dabei greift dein Arm, der unter der Achsel des Gegners durchgreift, den oberen, der direkt am Hals vorbei greift. Die Hände befinden sich dabei dicht an der eben beschriebenen Achsel. Damit wird vermieden dass der Gegner deine Finger greifen und aufbiegen kann um deiner Kontrolle zu entkommen. Dein Körper biegt in Bauchlage den Körper des Gegners nach hinten auf. In Rücken- oder Seitlage krümmst du deinen Körper nach vorne.

Im nächsten Schritt greift der obere Arm um den Hals, so dass die Hand auf der gegnerischen Schulter aufliegt. Die zweite Hand greift nun in die Finger der ersten Hand und zieht den Arm eng um den gegnerischen Hals. So können die Finger zu keinem Zeitpunkt aufgebogen oder nach vorne gezogen werden und der Choke wird schon eng, liegt aber durch den Zug recht frontal vor dem Hals. Nun ist der gegnerische Körper auch in der Rücken- oder Seitlage nach hinten durchgebogen.

Der hintere ziehende Arm wird nun über den vorderen schlingenden Arm geschoben wobei beide Hände flach auf die eigenen Schultern zu schieben sind.

Dabei werden auch die Ellenbogen zusammen geschoben.

Kannst du die Ellenbogen nicht mehr weiter zusammenschieben, bleibt der schlingende Arm fest mit dem schiebenden, hinteren Arm in der Ellenbeuge und auf dem eigenen Oberarm verbunden und der hintere Arm wird mit einer nach vorne krümmenden Oberkörperbewegung mit der Kleinfingerseite der Handkante in den Nacken geschoben.

Die Kraft für das Schließen der Würgetechnik kommt aus dem Muskulus Trapezius indem die Schultern nach hinten, oben gezogen werden.

 

Zur Wirkungsweise dieser Technik gibt es zwei Theorien. Bei der Ersten handelt es sich darum dass die Blutzufuhr über das quetschende Schließen der blutführenden Gefäße eingeschränkt wird. Bei der zweiten Theorie geht es um eine Kompression des Vagusnervs. Die Konsequenz einer korrekt durchgeführten Technik ist entweder die Aufgabe des Gegners, oder eine nach wenigen Sekunden eintretende Bewusstlosigkeit.

Es ist jedenfalls eine ernstzunehmende Technik, die viel Potential hat einen ausweglos erscheinenden Kampf gegen größere und schwerere Gegner zu gewinnen, aber unbedingt unter fachlicher Anleitung trainiert werden sollte.

 

Der Mata Leao ist meiner Einschätzung nach die wichtigste Technik im Luta Livre. Falls der Bedarf nach fachlichem Austausch da ist oder Fragen dazu entstanden sind, freue ich mich auf Eure Kommentare hier im Netz oder auf einem meiner Luta Livre Seminare in Köln oder bei meinen Partnerschulen.

 

Keep the Flow

Andy

 

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